Asale: Die Einheit des Geistes stärken für ein gemeinsames Ziel

Leiter des äthiopischen Seminars spricht auf der zweiten der drei Vollversammlungssitzungen zum Thema „Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung”

„Einheit gehört zum Wesen der Kirche“. Darum sei es die Aufgabe der Christinnen und Christen, die „Einheit im Geist“ durch einen offenen, respektvollen Dialog zu fördern, damit ein gemeinsames Ziel verfolgt werden kann. Diese Botschaft war der Kern eines Vortrags von Pfarrer Dr. Bruk Ayele Asale, Direktors des Mekane-Yesus-Seminars (MYS) in Äthiopien, vor den Teilnehmenden der Dreizehnten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Krakau, Polen. 

Kirchenleitende sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der ganzen Welt kommen vom 13. bis 19. September zur Vollversammlung, dem höchsten Entscheidungsgremium des LWB, zusammen.

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Rev. Dr Bruk Ayele

Pfarrer Dr. Bruk Ayele Asale, Leiter des Mekane-Yesus-Seminars in Äthiopien, spricht zu den Teilnehmenden der Dreizehnten LWB-Vollversammlung während der thematischen Plenarsitzung zum Thema „Ein Geist“. Foto: LWB/Albin Hillert

Das MYS ist die theologische Hochschuleinrichtung der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus (ÄEKMY), der mit über 12 Millionen Mitgliedern größten der 150 lutherischen Kirchen der weltweiten LWB-Gemeinschaft. Es handelt sich um eine sehr vielfältige Kirche, die verschiedene lutherische und reformierte liturgische Traditionen verkörpert. Ihre Gemeinden setzen sich aus Menschen mit unterschiedlichem ethnischen und sprachlichen Hintergrund zusammen.  

In seiner Rede auf der zweiten von drei Plenarsitzungen zum Thema der Vollversammlung „Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung“ wies Asale zunächst darauf hin, dass der Aufruf der Kirchen zur Einheit heute genauso dringlich sei wie zur Zeit von Paulus, als unter den Kindern Gottes „Zersplitterung und Uneinigkeit“ herrschten. 

„Der Ruf nach Einheit im Geist ist unverzichtbar, denn alle Kirchen bekennen sich aufrichtig zu Christus und verkünden ihn.“ 

– Pfarrer Dr. Bruk Ayele Asale, Leiter des Mekane-Yesus-Seminars in Äthiopien. 

Das globale System der Unterdrückung, die Kluft zwischen Nord und Süd, Ost und West, die Brutalität der Mächtigen und der endlose Schmerzensschrei der Machtlosen, seien nur einige der „Geister“, die in der heutigen Welt Leid und Spaltung verursachten, so Asale. Er ging auf Konflikte wie den Bürgerkrieg in seinem eigenen Land sowie auf Kämpfe zwischen ethnischen Gruppen und Clans ein, die Tote und die Zerstörung von Kirchen zur Folge haben. Sie entstünden aus einem Geist des Hasses, sagte er, ein Geist, der der Einheit und dem Heiligen Geist entgegenstehe. 

Im Zusammenhang mit Religionen verwies er auf die „zahllosen irreführenden Theologien“, die nur dazu benutzt würden, Arme und Schwache auszubeuten und zu kontrollieren. Sie verletzten „die angeborene Menschenwürde und bringen das Leben der Menschen in Gefahr". Dieses Problem gebe es in vielen Teilen der Welt, sagte er und erwähnte beispielhaft den jüngsten Fall in Kenia, wo Hunderte von Sektenanhängern verhungert sind, nachdem der Sektenführer sie zum Fasten bis zum Tod überredet hatte. 

Die Forderung nach Einheit im Geist sei unverzichtbar, bekräftigte Asale, schließlich bekannten und verkündeten alle Kirchen aufrichtig, dass sie zu Christus gehören und für die Sache des Evangeliums leben. Der Ruf nach Einheit, so Asale weiter, meine in erster Linie die vielschichtige Bewegung von Kirchen und Gläubigen, die sowohl die sichtbare Einheit der Kirchen als auch eine Integration von Mission, Dienst und Erneuerung zum Ziel habe. 

Offenheit, gegenseitiger Respekt, gemeinsames Ziel 

Asale blickte auf die Geschichte der ökumenischen Bewegung zurück, die vor mehr als einem Jahrhundert begann, und stellte fest, dass das Streben nach Einheit im Geist unter den Kirchen auf globaler, regionaler und lokaler Ebene aufgebaut werden könne und auch sollte. Dies bedeute nicht, dass man sich der Identität des anderen beugt, so sagte er. Es gehe vielmehr darum, „alle Menschen gleich und fair zu behandeln“ und zu erkennen, dass die Mitgliedskirchen und weltweiten Gemeinschaften zur Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit auf die Zusammenarbeit mit den anderen angewiesen seien.  

Fortschritte auf dem Weg zur Einheit, so Asale, erforderten Offenheit bzw. „die Bereitschaft, sich durch das, was man vom anderen lernt, selbst zu verändern und damit zu erneuern“. Um negative Stereotype und die „Neigung, andere grundlos zu dämonisieren" zu überwinden, brauche es zudem gegenseitigen Respekt. Drittens müsse anerkannt werden, dass alle Kirchen ein gemeinsames Ziel haben, „nämlich dem einen Herrn zu dienen“, dem die Kirche gehört, und „ihn anzubeten“. 

Auch wenn wir institutionell oder räumlich getrennt sein mögen, so Asale abschließend, „können wir dennoch weiterhin eins sein im Geiste. Dieses „mystische Leben“ erfahren wir, wenn wir „in der Gemeinschaft mit Christus“ leben. 

Reaktionen aus Chile und Finnland 

In ihrer Stellungnahme zu Asales Vortrag betonte Bischöfin Izani Bruch von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile die Bedeutung dieser „Einheit im Geist“ in ihrem Kontext als Leiterin einer Minderheitenkirche in Lateinamerika. Die Zugehörigkeit zum LWB „stärkt uns und gibt uns Halt“, sagte sie, denn „wir wissen, dass wir von der Gemeinschaft von 150 Kirchen und von über 77 Millionen Lutheranerinnen und Lutheranern und anderen Kirchen begleitet werden“. Sie erinnerte auch daran, wie wichtig die Unterstützung durch den LWB und den Ökumenischen Rat der Kirchen während der 17-jährigen Diktatur in Chile war. 

Als Beispiele für aktuelle Herausforderungen in ihrer Region nannte Bruch Armut und Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und Polarisierung, Hassreden und wachsenden politischen und religiösen Fundamentalismus sowie irreführende Theologien, die dazu geführt haben, dass die Menschenrechte zurückgedrängt werden. Angesichts dieser Schwierigkeiten, sagte sie, sei Einheit im Geist keine Option, sondern in erster Linie ein evangelischer Auftrag. 

Zwischen Himmel und Erde 

In einer zweiten Reaktion berief sich Pfarrer Dr. Veli-Matti Kärkkäinen, finnischer Theologe und Professor am Fuller Theological Seminary in den Vereinigten Staaten, auf einen Vers aus dem Buch Hesekiel: „Da hob mich ein Wind empor zwischen Himmel und Erde“ [Hes 8,3]. „Inmitten von ungeheurem Leid und Schmerz“, so Kärkkäinen, „werden wir die Schreie des Geistes hören, und wir werden lernen, „zwischen dem einen Geist Gottes und den vielen anderen Geistern [...] der Gewalt, der Unterdrückung und der Gier zu unterscheiden.“ 

In einer Welt voller Engstirnigkeit und festgefahrener Haltungen sprach er in Anlehnung an die Buchstaben in Luthers Namen von der Breite, wie „der Geist Raum schafft, Platz macht [...]“ und von der Notwendigkeit der Einheit in dem einen Geist, nicht etwa im Sinne von „erzwungener Einförmigkeit“, sondern von der Einheit in Vielfalt. Er nannte außerdem den Geist der Hartnäckigkeit bzw. „der Fähigkeit, für das einzustehen, was richtig und gut für alle Menschen, alle Christinnen und Christen ist.“ 

Dann erwähnte Kärkkäinen die Notwendigkeit der Herzensgüte, also die Fähigkeit, „auf die sanfte Stimme des Geistes zu hören“, die zu unserem Herzen spricht. Ein weiteres Stichwort war Stärkung (engl. empowerment), also die Art und Weise, wie der Geist „die Kirche zur prophetischen Rede und zur Heilung von Kranken befähigt“. Abschließend sprach er über die Notwendigkeit einer „fortlaufenden, immer wieder neuen Reformation“, ein Thema, das auf der letzten LWB-Vollversammlung behandelt wurde.