Ungarn: Glaubwürdiges Zeugnis in turbulenten Zeiten ablegen
Interview mit Kinga Marjatta Pap, Vorsitzende des Internationalen Planungsausschusses für die Gottesdienste während der Dreizehnten Vollversammlung
(LWI) – „Dass die weltweite Kirchengemeinschaft in der Region Mittel- und Osteuropa zusammenkommt, ist für die lutherischen Gläubigen hier ein wichtiges Zeichen der Ermutigung und Unterstützung“, sagt Kinga Marjatta Pap, die Vorsitzende des Internationalen Planungsausschusses für die Gottesdienste während der Dreizehnten Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB), die 2023 in Krakau, Polen, stattfinden soll.
Pap ist in ihrer Kirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn (ELKU), auf lokaler und nationaler Ebene als Kirchenmusikerin und nicht-ordinierte Führungsperson aktiv.
Im folgenden Interview erzählt sie von ihrer Begeisterung für Kirchenmusik und ihrem Wunsch, „in turbulenten Zeiten ein glaubwürdiges Zeugnis“ abzulegen.
Erzählen Sie uns kurz, wie Sie sich in Ihrer Kirche engagieren.
Auf lokaler Ebene bin ich bin nicht-ordiniertes Mitglied im Gemeindevorstand. Die evangelisch-lutherische Gemeinde in Budapest-Kelenföld ist eine der größten lutherischen Gemeinden in Budapest, der Hauptstadt eines überwiegend katholisch geprägten Landes.
Wir sind in dem stark säkularisierten Kontext einer Großstadt verortet, aber eine sehr aktive Gemeinde: Wir feiern jeden Sonntag vier Gottesdienste und bieten jede Woche Bibelkreise für verschiedene Zielgruppen an. Darüber hinaus haben wir eine Pfadfinder-Gruppe, machen Kinder- und Jugendarbeit und haben mit unseren zwei Chören und einem Kammerorchester auch einen starken musikalischen Zweig.
Auch ich engagiere mich im Bereich Musik: Ich leite den liturgischen Chor unserer Gemeinde, der jeden Sonntagabend eine Abendandacht gestaltet. Wir versuchen dabei die jeweilige Zeit des Kirchenjahres und die Texte des aktuellen Sonntags durch gregorianische Psalmodien, Choräle und Genfer Psalter musikalisch widerzuspiegeln, die im Wechsel mit der Gemeinde gesungen werden. Motetten singen wir in erster Linie von lutherischen Komponistinnen und Komponisten aus dem frühen Barock und der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert und heute.
Darüber hinaus unterrichte ich auf nationaler Ebene im Sommer an unserem Institut für Kirchenmusik Choralsingen. Weiterhin bin ich vor Kurzem Mitglied eines Ausschusses für die Zusammenstellung eines neuen lutherischen Gesangbuchs geworden, das wir 2030 veröffentlichen wollen.
Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für Musik entdeckt?
Die Chormusik war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Zunächst habe ich in der Schule im Chor gesungen und bin dann mit 13 dem Gemeindechor beigetreten. Dort hatte ich die großartige Chance, eine ganze Bandbreite an Chorliteratur kennenzulernen – Motetten, Messen und Kantaten. Später habe ich auch in den Chören des lutherischen Gymnasiums und des Instituts für Kirchenmusik gesungen, wo ich mein Studium zur Kirchenorganistin absolvierte.
Weiterhin wurde mein Zugang zur Musik geprägt von der Mitwirkung in Ensembles für Chor-Improvisation und angewandte Musik in alternativen Theaterensembles und dem Ungarischen Nationaltheater. Auch die Erfahrungen, die ich in internationalen Kontexten sammeln konnte – insbesondere im „Land der Chöre“, Estland –, haben mein musikalisches Denken geprägt. Ich spiele auch Klavier und Orgel und leite ein Frauenensemble von finnischen Ausgewanderten.
Sie sind in die Vorbereitungen für die LWB-Vollversammlung in Polen eingebunden und haben auch schon an der LWB-Vollversammlung 2017 in Namibia mitgewirkt. Was macht diese Zusammenkünfte Ihrer Erfahrung nach so einzigartig?
Das Erleben unseres lutherischen Glaubens in einem größeren Kontext. Dass man über das Wort Gottes und seine gesellschaftliche Bedeutung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven nachdenkt, ist für einen selbst, aber auch für die Gemeinschaft bereichernd. Insbesondere für Menschen aus Minderheitenkirchen ist es sehr ermutigend, Teil dieser bunten lutherischen Familie zu sein, einer wirklich weltweiten Gemeinschaft.
Natürlich sind aber auch die Geschäftssitzungen der Vollversammlung mit ihren sorgfältigen Erörterungen verschiedener Thematiken, dem Lauschen auf verschiedene Stimmen und der gemeinsamen Formulierung wichtiger Botschaften zentral für das Verständnis unserer Mission für eine gerechte, friedliche und versöhnte Welt.
Was hoffen Sie, welchen Beitrag Ihre Kirche und die Kirchen in der Region Mittel- und Osteuropa ganz allgemein zur Vollversammlung leisten können?
1984 war meine Kirche zuletzt Gastgeberin einer LWB-Vollversammlung in der Region Mittel- und Osteuropa in Budapest. Die weltweite Gemeinschaft von Kirchen heute, in einer ganz anderen Zeit und einem ganz anderen globalen Kontext erneut hier zusammenzubringen, ist ein wichtiges Zeichen der Ermutigung und Unterstützung für die lutherischen Gläubigen hier. Wir hoffen, dass unsere Kirchen von glaubwürdigem Zeugnis in turbulenten Zeiten wird berichten können – dem Zeugnis der lutherischen Kirchen mit einer ausgeprägt biblischen Identität, ökumenischer Offenheit und einer aktiven Präsenz in unserer Gesellschaft.
Die theologischen Erörterungen rund um das aus dem Epheserbrief entliehene Thema der Vollversammlung, „Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung“, werden hoffentlich auch die lutherischen Kirchen in der Region bereichern. Die gemeinsamen Sonntagsgottesdienste mit Vollversammlungsteilnehmenden in Ortsgemeinden in Polen, der Slowakei und der Tschechischen Republik werden ganz sicher ein unvergessliches Erlebnis für alle Beteiligten werden.
Was bedeutet es für Ihre Kirche, Ihre Arbeit und Sie persönlich, Teil der weltweiten Gemeinschaft von Kirchen im LWB zu sein?
Die ELKU ist ein Gründungsmitglied des LWB. Sie hat sich aktiv in den Werdegang des LWB eingebracht, indem sie immer wieder Führungspersonen und Mitarbeitende entsandt hat und in der theologischen Arbeit und Ausbildung kontinuierlich partnerschaftlich mit dem LWB zusammengearbeitet hat.
Auch waren die lutherische Gemeinschaft und die direkten Beziehungen mit Partnern weltweit während der wechselnden politischen Regimes für uns von zentraler Bedeutung.
Gleichzeitig ist auch 75 Jahre nach der Gründung des LWB immer noch Bewusstseinsbildung notwendig: Der LWB scheint für viele Mitglieder der Kirchen Terra incognita zu sein und nur für eine Handvoll Fachleute bestimmt. Die Vollversammlung ist da eine großartige Gelegenheit, das Wissen um diese Organisation zu verbessern.
Meiner Erfahrung nach kann der LWB einzigartigen Input zu theologischen Fragen liefern und uns lutherischen Gläubigen in Ungarn helfen, zu verstehen, dass wir in all unserer Vielfalt eins sind in Christus.